Management des Unplanbaren

Oh, ich liebe Pläne und gelte als außerordentlich strukturierter Mensch. Als ich vor 10 Jahren ein Projektmanagement-Seminar besuchte, wartete ich die ganze Zeit darauf, wann es denn endlich mit dem Management losgeht. Und ich wartete und wartete und dann war das Seminar vorbei. Wir hatten die ganze Zeit die Projektplanung behandelt. Dann begriff ich, was ich an den BWL-Lehrbüchern immer so seltsam fand: Auf dem Etikett steht zwar „Management“. Drin ist aber gar kein „Management“ sondern „Planung von Management“.

Primat der Planung

Mit dem „Primat der Planung“ ist gemeint, dass die Planung als erster Schritt zum Management dazugehört. Geplant werden sollen das Ziel, die Strategie, die Maßnahmen, dazu eingesetzte Budgets, beteiligte Menschen sowie die Kontrolle all dessen – die Kontrolle, ob der Lauf der Dinge noch dem Plan entspricht. Ohne Planung gäbe es nach dieser Lesart überhaupt kein Management.

Der Primat, der plant

Wer mit der Praxis des Management von irgendetwas zu tun hat, weiß dass der Plan fast nie 1:1 umgesetzt wird. Die Schlussfolgerung sollte nun keinesfalls sein, auf das Planen an sich zu verzichten. Eine Schlussfolgerung könnte aber sein, dass die Annahme, das Planen sei der dominierende Faktor bei der Praxis des Managements, einfach unpraktisch ist.

Und nun verschärft es sich

Management…

  • ist also mehr als bloßes Planen,
  • löst sich vom Primat der Planung

…und es gibt sogar Gegenstände des Managements, wo sich ein Großteil der Determinanten der Planbarkeit entziehen. Planen kann man am ehesten sein eigenes Verhalten. Nicht wenigen Managern fällt allein das schon schwer genug. Im gewissen Maße kann man noch das Verhalten untergebener Mitarbeiter und beauftragter Dienstleister (z.B. Agenturen) planen, aber kaum noch das von Kunden.

Wie planbar ist Markenkommunikation?

Das können Sie planen:

  • Die schriftliche Fixierung von Zielen und gewünschten Zustandsbeschreibungen wie Eigenschaften, mit denen die Marke assoziiert werden soll sowie erwünschten Anschlusshandlungen.
  • Die schriftliche Fixierung einer Markenstrategie, die einen Rahmen vorgibt, welche Handlungen erlaubt sind und in welcher Weise sie ausgeführt werden sollen.
  • Form, Ort und Zeit von Kommunikationsangeboten.

Das können Sie nicht planen:

  • Wahrnehmung, Annahme und tatsächliche Anschlusshandlungen von Kommunikationsangeboten
  • Rollen und Zustände von Menschen, die Kommunikationsangebote annehmen oder ablehnen
  • Konkurrierende Kommunikationsangebote

„Nicht nur die Komplexität und Dynamik der Umweltentwicklungen sowie die grundsätzliche kognitive Unsteuerbarkeit des Konsumenten, auch die Eigendynamik des Sozialsystems Unternehmen beeinträchtigt die Prognostizierbarkeit von Markenentwicklungen, weshalb sich das Markenmanagement vor die Aufgabe einer Markensteuerung durch unplanbare Planung gestellt sieht. (…) das Ergebnis dieses kontinuierlichen, zirkulären, selbstbezüglichen Prozesses, den das Unternehmen mit seiner täglichen Meetingroutine am Leben hält, kann vom Markenmanagement in einer Markenplanung weder antizipiert noch vorhergesagt werden.“ (Jörg Tropp, 2004, S. 162 f.)

Management des Unplanbaren

Markenmanagement interveniert kontext- und situationsabhängig mit Blick auf die selbstgesetzten Ziele.

Planning

Auf der Seite der Werbeagenturen arbeitet die Disziplin des Planning an dieser Paradoxie der „Planung des Unplanbaren“ (Jörg Tropp). Planning weiß um die Grenzen der Prognostizierbarkeit gerade weil es sich auf die Methodiken der Markt- und Konsumentenforschung versteht. Gleichsam ist es sich dessen bewusst, dass Zielen und Designs von Markt- und Konsumentenforschungsprojekten fast immer auch die Erwartung an Prognostizierbarkeit innewohnt. Planning ist langfristig erfolgreich nur dann, wenn es gerade nicht als Illusionshüter zur Blendung mafo-gläubiger Kunden missbraucht wird, sondern wenn es sich auf den Umgang mit den Grenzen der Realisierbarkeit von Planungsidealen sowohl beim Kunden als auch innerhalb der Agentur versteht – wenn Planning sowohl Zahlen- als auch People-Business in einer exzellenten Ausprägung praktiziert.

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