Missverständnisse in der Markenführung

Ein mehrdimensionales Plädoyer für das Zuhören

Immer wieder gibt es Diskussionen darum, was im Internetzeitalter die „richtige Markenführung“ sei. Dabei geraten oft die Definitionen durcheinander: Was ist mit Markenführung gemeint, was ist das digitale an der „Digitalen Markenführung“?

Gibt es Meinungsverschiedenheiten, dann ist das Thema nicht banal. Die Diskussion entbrennt genau an der Stelle, wo es um das „Innere Spiel“ – dem Selbst-Verständnis markenführender Akteure geht.

Ideologie der Ansätze

Plakativ betrachtet gibt es 2 Pole:

  1. Markenführung ist Diktat
  2. Marken werden vom Markt geführt

Sowohl die eine, als auch die andere Sichtweise halte ich für zu kurz gesprungen und beide gehen auch an der Praxis vorbei, gerade weil die Protagonisten beider extremer Sichtweisen über keine erkennbare Theorie der Markenführung verfügen.

Nur ein Gedanken weiter gedacht, lautet meine Antwort auf 1.:

Wenn nur der Diktator und seine Unterstellten als Sprachrohr der Marke fungieren, ist die Marke irrelevant, denn sie hat keine engagierte Folgschaft. Apple hatte seine treue Folgschaft auch, als die Marke geschwächt war. Die Ursache von Apple‘s Markenstärke liegt in Steve Jobs‘ Vision, nicht im stringent geführte Regime bei der Markenführung. Dieses Regime lässt sich bei Apple ausschließlich deshalb so organisch praktizieren, weil die Gefolgschaft sich dem freiwillig unterwirft. Fehlt organische Markenkraft, so kann sie durch Diktatur nicht erzeugt werden. Diktatur ist immer künstliche Stärke, die nur eines zum Ziel hat: natürliche Schwäche zu kaschieren. Das gilt für die Politik, das Management von Menschen genauso wie für das Management von Marken.

Die Antwort auf 2. fällt kürzer aus:

Wenn andere über mich reden, heißt das doch nicht, dass ich meine Persönlichkeit verliere. Marken werden weiterhin geführt, auch wenn andere jetzt leichter medial im Namen der Marke tun könnten, was sie wollen.

Social Media Berater und Markenpfleger gucken von zwei verschiedenen Seiten

Die Missverständnisse zwischen Social Media Beratern und klassischen Markenpflegern kommen nur auf, weil sie aus unterschiedliche Perspektiven auf die Praxis der Markenführung schauen:

Zuhören ist nicht gleichbedeutend mit „Wir machen genau was Ihr sagt“.
Mitmachen heißt nicht „Konsumenten definieren Produkte, Verpackungen und Werbung allein.“
Anpassungsfähig zu sein heißt nicht etwa, das Fähnchen nach dem Wind zu hängen.

Um das genaue Maß zu halten, bedarf es einer bewussten aus sich selbst kommenden Souveränität: Richtig zuhören kann man nur, wenn man bei sich, bei seiner Marke bleibt. Richtig mitmachen kann man nur, wenn man weiß was man will. Anpassungsfähigkeit bewahrt man sich, wenn man seine Taktik an den Umständen ausrichtet und dabei seiner Strategie bei hoher Erfolgswahrscheinlichkeit treu bleiben kann.

Organische, natürlich gewachsene Souveränität sowohl im Verständnis vom Inhalt der Marke als auch im Führungsverständnis speist sich eben nicht aus der romantischen Verklärung der „guten alten Zeit“, als Markenführer noch eine nahezu totale Medienhoheit für sich in Anspruch nehmen konnten.

Auch Steve Jobs hat zugehört

Steve Jobs hatte sehr wohl einen Draht für die Bedürfnisse der Menschen. Ansonsten wäre er ein einsamer Visionär gewesen. Manche Unternehmer meditieren sich das Gespür für ihren Markt direkt über ihren Solarplexus. Die meisten anderen gewinnen erst durch zahlreiche Gespräche und gutes Zuhören ein sicheres Gefühl für ihren Markt, wobei dieses Zuhören eben auch ergänzt werden kann durch Zuschauen und Teilnehmen in sozialen Netzen und der Beobachtung von Brand Hacking. Mit Sicherheit kann technokratische Marktforschung nicht den Geschäftssinn ersetzen.

Wer aus einer Haltung der Arroganz die Ohren verschließt, verhält sich nicht souverän, sondern wie ein Strauß, der aus Angst vor der Umwelt den Kopf in den Sand steckt. Das Credo meines Konzeptes lautet: „Nie mehr in der Defensive. Vom Betroffenen zum führenden Beteiligten werden.“

Modell Souveräne Markenführung

2 Kommentare zu „Missverständnisse in der Markenführung“

  • „Missverständnisse zwischen Social Media Beratern und klassischen Markenpflegern“ – schon das ist ja eine Annahme fernab der Realität. Als ob ein „Markenpfleger“ nicht auch Social Media Berater wäre oder auch andersherum. Das Feld wird nicht nur von Spezialisten beackert. Freilich gibt es genügen Freunde der Moderne, die als „Social Media Berater“ immer, wenn irgendwo ein Skandälchen aufkommt, von Shitstorm reden und erklären, dass jetzt die Marke darunter leide. Dass das auch Blödsinn ist, kann man in der aktuellen brand eins schön nachlesen.

    „Sowohl die eine, als auch die andere Sichtweise halte ich für zu kurz gesprungen und beide gehen auch an der Praxis vorbei, gerade weil die Protagonisten beider extremer Sichtweisen über keine erkennbare Theorie der Markenführung verfügen.“ – auch das halte ich für, sagen wir mal, falsch. „Diktatorische“ Markenführung war über Jahrzehnte Status quo, mit einer ausgewiesenen wissenschaftlichen Theorie und empirischen Erfolgen dahinter. Es hat in der Zeit der One-Way-Kommunikation hervorragend funktioniert. Beispiele gibt es wie Sand am Meer.

    „Markenberater“ arbeiten heute auch nicht mehr so. Agenturen sind wandelbar. Wie oben erwähnt. Der Trend ist auch hier angekommen – welch Wunder! Zu glauben, alle Markenberater dieser Erde würden das Diktat proklamieren, ist sehr engstirnig. Die erfolgreichen Marken dieser Welt sind die besten Beispiele, wie sie zwischen der Kommunikation von Menschen erfolgreich bestehen können und sich dabei nicht selbst verlieren.

    Und Apple als Beispiel für… was eigentlich? … zu nutzen, ist a) ja inzwischen verpönt und b) bei dieser Argumentation auch fehl am Platz. Denn ich kenne keine Firma, die heute noch dermaßen diktiert und so wenig offen und auf Augenhöhe mit Kunden kommuniziert – und dabei solchen Erfolg hat. Auch Jobs Bachgefühl war ein Diktat – er war sich einfach sicher, dass er weiß, was gut für die Menschheit ist. Er hat es diktiert – und die Menschen lieben es. (Abgesehen davon, dass Apple in meinen Augen ein Spezialfall ist, was Markenführung angeht: Man produziert Produkte, die die Marke definieren. Alles rundrum ist nur Beiwerk. Das schaffen ganz wenige Marken.)

    • Klaas Kramer:

      Meine dargestellte Polarität ist plakativ und meine Argumentation bezieht sich auf die jeweiligen Sichtweisen. Die meisten Markenberater, die ich kenne, sind auch in der Lage, beides Perspektiven einzunehmen (Siehe meine Interviewreihe in diesem Blog).

      Das Beispiel Apple ist bewusst gewählt, gerade weil es eben als Extremfall erfolgreicher „Diktatur“ gerne angeführt wird. Warum aber ist es verpönt?

      Noch ein Wort zur Markenführungstheorie, die ich nirgens erkennen kann: Weder die Adaption der BWL-Planungskette für den inhaltlichen Markenaufbau, noch Empirie sind Theorien. Die in der Wirtschaft gängige empirische Praxis ist lediglich halbherzig angewandte Theorie des kritischen Rationalismus.

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