Internal Branding Experte Ralf Tometschek

Ralf Tometschek1. Wie stehen Sie zum Thema „Mitmach-Markenführung“?

Im Social Media-Zeitalter, in der Transparenz eine Hauptrolle in der Kommunikation übernimmt, wird die Marke stärker als bisher von außen beeinflussbar. Grundsätzlich glaube ich aber an Markenführung aus dem Unternehmen heraus, angeleitet von der Unternehmensführung: Die Marke fängt am Kopf zu duften oder stinken an. Wozu ist eine Unternehmensführung da, wenn sie nicht die Richtung vorgibt? Marke und Strategie fließen immer mehr ineinander, schon weil selbst der letzte Controller bemerkt hat, dass der Anteil des Markenwertes am Unternehmenswert meist ein beträchtlicher ist, je nach Branche bereits bei über 50% – abgesehen davon, dass man wahrscheinlich niemals alles genau messen kann, was Marke ausmacht. Also: Marke muss aus meiner Sicht „innen beginnen“, gilt besonders auch in der Vorbildwirkung der Führungskräfte auf die Mitarbeiter, die das Markenversprechen beim Kunden (mit-)einlösen. Die Kunden sind über die modernen Medien in der Masse heute stärker in ihrer Stimme, das haben schon einige Marken in der letzten Zeit erleben müssen, die diesen Faktor unterschätzen oder auf Kunden-Reaktionen mit schlechtem Krisenmanagement-/kommunikation reagieren. So etwa Thalia, die in Österreich eine kleine Buchhandlung, mit der sie vorher kooperierten, in die Knie zwingen wollten per Übernahme und eine Protestlawine (Social Media-Begriff: Shitstorm) lostraten. Oder Ford, die eine erfolgreiche Kampagne „Fiesta Movement“ nicht auf den Mittleren Osten ausweiten wollten, weil die Region, wie ein Mitarbeiter Bloggern antwortete, digital nicht weit genug entwickelt wäre. Positiv fällt mir ein Beispiel aus Österreich ein: Vöslauer, Marktführer im Mineralwasserbereich, lässt seine Kunden neue Geschmacksrichtungen mitbestimmen. Das ist gelebtes Mitmach-Marketing, wobei es natürlich nicht um den Kern der Markenführung geht, sondern um Produktmarketing-Entscheidungen.

2. Nennen Sie bitte je ein Beispiel für souveräne Markenführung und unsouveräne Markenführung.

Apple ist souverän, und ich glaube, Herr Jobs – vulgo iGod – lässt sich nicht gerne dreinreden, wenn es um „seine“ Marke geht. Dennoch: Der Erfolg gibt ihm nun seit vielen Jahren recht. Den Shitstorm rund ums iPhone 4 hat er auch halbwegs souverän ausgeritten, der Aktienkurs bleibt halbwegs auf Kurs, das iPad verkauft sich ähnlich imposant. Seine (Jobs‘) Souveränität besteht darin, nicht den Markt zu fragen, was der denn eventuell will, sondern sich zu überlegen, was der Markt braucht, ohne davon zu wissen. Dass kann einem keine Marktforschung der Welt sagen, die doch die weiteste Strecke mit dem Blick in den Rückspiegel beschäftigt ist. Lieblingsfrage: Wäre Red Bull auf den Markt gekommen, wenn man sich an Geschmackstests orientiert hätte?
Unsouverän: Oben bereits genannte Beispiele von Marken, die den Dialog in Social Media suchen und ihn dann nicht konsequent betreiben. Wobei natürlich gesagt werden muss, dass hier auch „beidseitig“ manipulativ gearbeitet wird, siehe Beispiel Nestlé und die Orang-Utan-Kampagne von Greenpeace.

3. Können sich Marketingmanager nur behaupten, wenn sie sich mit glasklaren Beweisen für den Erfolgsbeitrag des Marketing munitionieren oder sehen Sie noch einen anderen Weg?

Wie gesagt: Ich kann nicht immer alles genau messen, was mit Marke zu tun hat, dazu ist das Gebilde „Marke“ wahrscheinlich auch zu komplex. Die sture Zahlengläubigkeit ist letztendlich glaube ich „old school“ in diesem Zusammenhang, so wie es auch der sture Shareholder-Ansatz ist. Werthaltiges Marketing, im Sinne werteorientierter Markenführung, die authentisch auf die Balance aller Stakeholder-Interessen achtet, ist die Zukunft. Auch, wenn diese Entwicklung noch viel Zeit und vielleicht auch noch eine „echte“ Krise brauchen wird, bis die letzten Gierigen das verstehen.

4. Wird es in 30 Jahren noch Marken geben oder sind Marken ein Relikt eines ausklingenden Zeitalters von Massenproduktion und Massenmedien?

In 30 Jahren denke ich schon. Ob ein anderes Prinzip am Horizont auftauchen kann, das die Orientierungs- und Selbstdarstellungsfunktion von Marke auf andere Weise interpretiert, weiß ich nicht. Jedenfall wird das schwierig werden; wenn der sinnbefreite Konsum sich eines Tages in einen eher asketischen Lebensstil wandelt, vielleicht kann Marke dann zumindest als authentisches Marktbereinigungsmittel fungieren, das uns sinnvolle Auswahl sichert und nutzlose Waren und Leistungen schneller aus dem Markt befördert.

5. Was geben Sie Ihren Kunden?

Wir entwickeln Unternehmen durch die Kraft der Marke. Sprich: Wir sorgen dafür, dass Führungskräfte und Mitarbeiter als Markenbotschafter das Markenversprechen einlösen.

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Über Ralf Tometschek

Ralf Tometschek begann 1988 seine Kommunikationslaufbahn als Texter und führte später Kreativteams in Werbeagenturen. 2001 war er Gründungspartner von wortwelt, 2004 von IDENTITÄTER – zwei Beratungsmarken, die sich auf die Erfolgsfaktoren Corporate Wording und Internal-/Employer Branding spezialisieren. Zuletzt schilderte er seine Erfahrungen als Co-Autor im Fachbuch „Innen beginnen – Von der internen Kommunikation zum Internal Branding“ (Gabler), wo er sowohl theoretisch als auch mit Praxisbeispielen seine Leistungsphilosophie veranschaulicht.

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