B2B-Branding Professional Annika Pötter

Annika Pötter1. Wie stehen Sie zum Thema „Mitmach-Markenführung“?

Es ist eine Möglichkeit zu fragen, wie jemand dazu steht, eine andere anzuerkennen, dass es eine unumstrittene Gegebenheit ist, dass Kunden oder allgemein Stakeholder ihre Meinung öffentlich kundtun und Unternehmen nunmehr aufgefordert sind Maßnahmen und Instrumente zu entwickeln, um die schon fast verlorene Kontrolle wenigstens ein Stück weit zurückzugewinnen. Meiner Meinung nach geht es nicht um die Frage, ob ich den Zustand – oder nennen wir es die Herausforderung – schätze oder zurückweise. Es geht darum, strategische Handlungspläne für Unternehmen zu entwickeln, die sich interdisziplinär dieser Thematik widmen. Hierzu zählen die Wirtschaftsinformatik im Hinblick auf Social Software und Kommunikationstechnologien, die Kommunikationswissenschaften mit dem Feld Issue Management und insbesondere natürlich das Marketing, das die Schnittstelle bildet und die zur Verfügung stehenden Maßnahmen und Instrumente kreativ inszeniert und streut.

2. Nennen Sie bitte je ein Beispiel für souveräne Markenführung und unsouveräne Markenführung.

Zunächst gilt es den Begriff souveräne Markenführung zu definieren. Ich verstehe darunter den bewussten, respektvollen, kompetenten und ganzheitlichen Anspruch eine Marke ausgehend von einzelnen Stakeholdergruppen kongruent und aufmerksamkeitswirksam durch das Unternehmen selbst zu steuern. Eine souveräne Markenführung sollte darüber hinaus kanalübergreifend verzahnte und Synergien erzeugende Maßnahmen einsetzen, diese kreativ in ihrem jeweiligen Potenzial nutzen und die Effizienz der Streuung mess- und optimierbar generieren.

Um nun auf zwei Beispiele einzugehen, fallen mir spontan die folgenden Beiden ein.

Unsouveräne Markenführung, wie Sie sie nennen, lag im Falle Nestlé für die Produktmarke Kitkat vor. Es handelt sich hier um ein aktuelles Beispiel aus dem 2. Quartal dieses Jahres. Die Marke nutzt seit geraumer Zeit Facebook, um Fans zu versammeln und dem Medium entsprechend Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, zu deren Kern der kommunikative Austausch zählt. Nur diesen wollte Nestlé scheinbar nur mit begrenzten und positiv eingestellten Stakeholdern führen. Als Greenpeace eine Kampagne gegen das in Kitkat verwendete Palmöl startete, zu dessen Gewinnung z.T. scheinbar Orang-Utans im Regenwald getötet werden, und mit Aktionsmaßnahmen die Facebook Seite bombardierte, schaltete Nestlé diese kurzerhand ab, anstatt in den Dialog zu treten, aufzuklären und evtl. Change Prozesse anzustreben. Dieses Beispiel verdeutlicht sehr schön, dass Issue Management im Fall Nestlé nicht adäquat erfolgt, der Kanal Social Media unterschätzt wurde und im Marketing keine kompetente Maßnahmenplanung für diesen „Krisenfall“ ergriffen werden konnte. Es gilt nun abzuwarten, wie Nestlé diesem Thema zukünftig begegnen wird. [Auch wenn Herr Tometschek bei der Nennung ebendieses Beispiels auf eine „beiderseitige Manipulation“ verweist, so muss dennoch klargestellt werden, dass es im Markenkern von Greenpeace verankert ist, manipulativ, beeinflussend und propagierend aufzutreten und Themen zu inszenieren, während Nestlé als Konsumgütermarke keine politisch meinungsbildende Funktion vertritt.]

Als Beispiel für Souveräne Markenführung fällt mir Hugo Boss mit der Social Media Aktion zum Thema Mercedes Benz Fashion Week ein. Das gehypte Event ist für die Marke hochrelevant, um Reputation und Image in der Zielgruppe zu stärken. Das Event wird über die Landesgrenzen hinweg als Aushängeschild in der Modewelt wahrgenommen und diente Hugo Boss dazu, sich insbesondere über den Kanal Facebook, bei der jungen Zielgruppe ins Gespräch zu bringen, in dem auf der Profilseite Models für die Fashion Show gesucht wurden. Diese konnten sich bewerben und wurden per Voting ausgewählt. Die Aktion war ein Paukenschlag, schlug große Wellen und erntete viel Lob. Hugo Boss zeigt so, wie es gelingt Events in Vor- und Nachbereitung durch Eigeninitiative und Contentlieferung so aufzuladen, dass das eigentliche 2 h Kernevent Monate in den Medien füllen kann. Der Marke ist es gelungen Fans einzubinden und durch eine ansprechende Thematik per Mundpropaganda die Kampagnenbotschaft weiterzutragen und das alles völlig markenkonform. Gratulation!

3. Können sich Marketingmanager nur behaupten, wenn sie sich mit glasklaren Beweisen für den Erfolgsbeitrag des Marketing munitionieren oder sehen Sie noch einen anderen Weg?

Beweise – in unserer Branche geht es doch vorrangig um Vertrauen, Überzeugung, sowie Ideen und Visionen mit Leben zu füllen und diese dadurch erlebbar zu machen. Unternehmen, die feste Kommunikationsbudgets haben, ihre Kunden kennen und verstehen und darüber hinaus bereit sind neue Wege zu gehen, zu überraschen und zu begeistern, werden doch – natürlich abhängig von Branche und Geschäftsfeld – eher wahrgenommen als die grauen Mäuse, die immer nur den anderen hinterherlaufen. Mit Sicherheit gibt es im Zuge der verbesserten Auswertbarkeit von Onlinemedien und deren Nutzung die Möglichkeit mehr Transparenz in Form eines ROI (sei es nun der Return on Investment oder der Return on Involvement) zu erreichen und diese Möglichkeiten sollten auch genutzt werden, um aus den Erfahrungen lernen zu können und diese Lerneffekte in zukünftige Projekte einfließen zu lassen.

Statt Beweisen würde ich das Wort „Nachweise“ wählen, denn diese sind durchaus gewünscht und sollten unaufgefordert erbracht werden, sofern sich die eingesetzten Medien auswerten lassen. Es gibt natürlich auch Aufgabengebiete bei denen häufig lediglich über den Erfolg abgerechnet wird, hierzu zählt z.B. die Suchmaschinenoptimierung bzw. das Suchmaschinenmarketing.

4. Wird es in 30 Jahren noch Marken geben oder sind Marken ein Relikt eines ausklingenden Zeitalters von Massenproduktion und Massenmedien?

Natürlich wird es noch Marken geben, denn es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass Unternehmen vorrangig durch Marken und dem daraus entstehenden Preispremium eine Differenzierung auf dem Markt ergreifen und sogar ausbauen können. Der Aufbau und der Erhalt von Marken sind kostenintensiv, denn es geht darum dem Konsumenten die Markenwelt erlebbar zu machen. Dies ist unter Umständen auch mit kleinen Marketingbudgets möglich – wie sich jedoch im Zeitverlauf zeigt, werden diese angeglichen, sobald sich die Konkurrenzsituation verschärft. Gerade im Business to Business wird die Marke erst in den letzten Jahren als erfolgversprechendes Differenzierungsmerkmal erkannt, denn Produkte werden immer homogener, Märkte gesättigter und der Wettbewerb globaler. Markenelemente wie Herkunft, Vertrauen, Service, Kundenbindung, Innovationsfähigkeit und Dialogbereitschaft spielen eine immer größere Rolle. Deshalb ist die Marke weit entfernt davon in den Reliquienschrank gestellt zu werden. Es geht vielmehr darum, die Markenführung zu schärfen und auf den Kontext anzupassen, um dem was da kommt auf Augenhöhe, gestalterisch und mitbestimmend begegnen zu können.

5. Was geben Sie Ihren Kunden?

Das ist eine gute Frage. In erster Linie Hilfestellung. Mir geht es darum zusammen mit dem Kunden die Ist-Situation zu evaluieren und Lösungsansätze zu entwickeln, die den Kunden auf die oft neue und sich verändernde Situation vorbereiten. Es gilt auf der einen Seite ein Impulsgeber zu sein, der den Kunden mit neuen Technologien und Potenzialen und Ideen vertraut macht, der auf der anderen Seite aber auch den realistischen Blick behält und immer kritisch auf die Verträglichkeit zum Markenkern abprüft. Der Kunde soll sich zusammen mit seinem Partner in einer vertrauensvollen Beziehung entwickeln, denn nur durch einen genaue Kenntnis des Kunden, des Marktes, des Partners und der Herausforderungen des Geschäftes kann eine effektive Zusammenarbeit entstehen – und so etwas funktioniert nur selten in einer eher kurzweiligen Projektarbeit. Gerade im Hinblick auf die Herausforderungen des Web 2.0 und der immer vernetzteren Kommunikationslandschaft geht es darum auch Change Prozesse auf Organisationsebene zu begleiten und zu gestalten. Es wird in nächster Zeit intensiv daran gearbeitet werden müssen, wer und welche Positionen in Unternehmen z.B. Social Media Kanäle monitoren und mit Content befüllen. Hier gilt es völlig neue Stellen zu besetzen, die sinnvoll in die Unternehmensstruktur eingegliedert werden müssen.

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Über Annika Pötter

Als Diplom Betriebswirtin und Dott.ssa dell´economia aziendale arbeitet Annika Pötter als Strategische Planerin bei die zeitspringer GmbH & Co.KG einer Agentur für digitale Markenführung der AGENTA Agenturgruppe in Münster. Daneben ist sie Doktorandin am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Münster und arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Juniorprofessur für Kommunikations- und Kollaborationssysteme. Sie beschäftigt sich u.a. mit Markenführung im Kontext des Web 2.0 im Bereich des Business to Business. Zu diesem Thema veröffentlichte sie im Jahr 2008 das Buch „Business to Business Markenführung im Web 2.0. Möglichkeiten zur Einflussnahme und Maßnahmen zur Gegensteuerung.“

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