Sinn und Unsinn eines Businessplanes bei der Existenzgründung

Wer behauptet denn, es sei Unsinn?

Fortschrittliche Unternehmer-Coaches und -Berater stellen gerne die Sinnhaftigkeit des Business-Plan-Schreibens in Frage. Mir gefiel dieses Infragestellen von Anfang an, weil es die angebliche Naturgesetzlichkeit der Notwendigkeit des betriebswirtschaftlichen Planens irritiert und auf die Differenz zwischen Unternehmer und Kaufmann aufmerksam macht.

Fortschrittliche Unternehmer-Coaches und -Berater verweisen auf die prinzipielle Unvorhersehbarkeit von Marktentwicklungen und fordern dazu auf, mutige Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen, während der klassische Existenzgründungsberater in der Endlosschleife der Differenz zwischen Fachkraft (beruflicher Hintergrund der Gründerperson) und Kaufmann (BWL, Buchhaltung, Steuerrecht und systematische Planung der betrieblichen Abläufe einschließlich Marketing) gefangen ist und unternehmerischen Misserfolg notorisch auf Defizite im kaufmännischen Bereich zurückführt.

Fortschrittliche Unternehmer-Coaches und -Berater – ja, es ist Absicht, dass sich das zum  zweiten Mal wiederholt – kritisieren, dass die Forderung, einen Businessplan zu schreiben, von den unternehmerischen Aufgaben ablenkt: Entwicklung einer zielgruppennutzenspezifischen Unternehmensstrategie, Schulung der mentalen Basis für eine unternehmerische Persönlichkeit, Arbeit an der Unternehmensvision, Bewusstwerden der begrenzten Macht bei gleichzeitiger Übernahme der unbeschränkten Verantwortung für die Folgen aller Entscheidungen.

Welchen Sinn sehe ich denn?

In stark abgeschwächter Form teile ich die Kritik und verwende gerade deswegen das „Instrument“ Businessplan als wirkungsvolle Intervention im Gründercoaching. Zu folgendem Zweck: Die Arbeit an einem solchen „Plan“ zwingt dazu, überhaupt erst einmal schriftlich zu artikulieren, was genau die Geschäftsidee ist, wer mein Markt ist und was ich ihm bieten will, das er nicht bereits von anderen Anbietern hinreichend geliefert bekommt (Alleinstellungsmerkmal). Der Plan zwingt, plausibel darzulegen, was ich tun werde, um auf gewünschte Umsätze und Erträge zu kommen.

Es geht nicht darum, genau zu planen, was man an welchem Tag in der Zukunft genau tut. Was jedoch dazu gehört, ist eine gedankliche Beschäftigung mit möglichen Risiken und Fallstricken und wie auf diese zu reagieren ist. Ich halte das für eine unverzichtbare Reflexionsübung. Abgesehen davon, dass der Businessplan für andere geschrieben wird (Banken, Investoren, Jobcenter), zwingt er dazu, sich mir als Coach auf eine strukturierte Weise auch schriftlich mitzuteilen.

Über diesen Weg bricht der Gründer wenigstens zeitweise aus der Box der Fachkraft aus und der „unternehmerische Anfall“ (Gerber) kommt auf den Prüfstand: Wie strapazierfähig ist der Unternehmer im Gründer, wenn er gezwungen wird, Argumente zu finden, die auch kritische Banken und Behörden davon überzeugen, dass das Geschäft im Worst-Case immer noch tragfähig ist; wenn etwa Werbung und Akquise nicht so anschlussfähig sind wie erhofft; wenn Fördergelder niedriger oder ganz ausfallen; wenn Wettbewerber die Idee rasch kopieren; wenn gesundheitliche oder private Probleme dem Gründer zusetzen? Ich setzte die Arbeit am Businessplan als Methode ein, um den Gründer mit der Rolle des Managers (im Gerber‘schen Sinne) vertraut zu machen, der alle Fachkraft-Aufgaben aus der Sicht geordneter (wünschenswerter) Betriebsabläufe betrachtet.

Die Unternehmerrolle bearbeite ich im persönlichen Gespräch und nutze als Vehikel Behauptungen aus dem Businessplan. So wird das Schriftstück zu einem unverzichtbaren Kommunikationsgegenstand. Zum goldenen Kalb wird es dadurch nicht.

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